Das Grundnahrungsmittel
Eine dunkle Stimme dringt durch den dicht gepackten Raum, in dem man zwischen Kachelwänden und Resopaltischchen auf den Ausruf seiner Bestellung wartet: "Set Beans Chips! Beans Hashbrowns! Toast is read-ey!" Die Stimme gehört Claudia, einer zierlichen Dame mit kurzem blonden Haar, die verdammt laut und zugleich tief brüllen kann. Wenn man ihr bei der Essensübergabe einen Moment in die Augen schaut, flüstert sie plötzlich ganz sanft: "Enjoy your meal, dear."
Claudias Stimmvirtuosität gehört zum Gesamterlebnis Regency Cafe, einem Laden, in dem seit seiner Eröffnung im Jahr 1946 nichts verändert wurde. Diverse BBC-Serien nutzten das Interieur schon als Kulisse, das zwar retro ist, aber auch zeitlos wirkt. Nur die niedrigen Tische und die fest installierten Stühlchen zeugen davon, dass mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen ist. Die Briten scheinen währenddessen einige Zentimeter größer geworden zu sein.
Ein paar Straßenecken weiter ist das britische respektive englische
Frühstück nicht mehr als ein überteuerter Touristennepp, hier gibt es
das Original. Die traditionsreiche
Zeitung The Telegraph listete den herausragenden Vertreter eines
greasy spoon, eines sehr simplen Lokals mit hausgemachten und
dem Namen nach oft fetttriefenden, sehr nahrhaften Speisen, schon auf Platz fünf der besten Restaurants in London.
Das Set Breakfast für sechs Pfund umfasst Eier und dicke Baconstreifen, die berühmten englischen Frühstückswürstchen, für die es in Deutschland kein wirkliches Pendant gibt, Brot oder Toast, gebackene Bohnen oder Tomate. Andere Zutaten lassen gruselige Frühstückserinnerungen lange zurückliegender Klassenfahrten aufkommen: Für ein, zwei zusätzliche Pfund kann man sich die von Festlandeuropäern gefürchtete Blutwurst, den Black Pudding, drauflegen lassen oder das Reste-Omelett Bubble and Squeak. Für die Hash Browns, eine Art Reibeplätzchen, braucht man hingegen keinen Mut.
Das Snobfrühstück
Wer sich für die Historie des britischen Frühstücks interessiert, sollte sich mit Guise Bule unterhalten. Der Chairman und Gründer der British Breakfast Society setzt sich für die Wiederbelebung der britischen Frühstückstradition ein – und die reicht immerhin bis ins 13. Jahrhundert zurück. "Ich bin ein wenig snobby", erklärt Bule, für den die fettige Fry-up-Version des Breakfast kaum noch etwas mit dem Original zu tun hat. Seine Empfehlung für ein Full English Breakfast in London lautet daher: Hawksmoor Guildhall, das Set zu 16,50 Pfund.
"Es ist leider sehr
einfach, in England ein wirklich schlechtes Frühstück
zu bekommen. Und dann zu denken: Wow, das ist also ihr
Nationalgericht!" Ursprünglich, sagt Bule, waren sämtliche Zutaten "hochwertig
und biologisch produziert". Zuschreibungen wie bio sind rückblickend sicherlich kaum haltbar, setzen sie doch
so etwas wie Massentierhaltung und Landwirtschaft im industriellen
Maßstab bereits voraus. Dennoch ahnt man, worauf Bule hinauswill. Er möchte die britische Frühstückstradition
in jener Vergangenheit verorten, in der die Bediensteten das Schwein persönlich
zum Schlachter brachten und die Marmelade zum Toast im Kupferkessel
daheim kochten. Die Vorbereitungen waren aufwendig und teuer, so ein Mahl ein Luxus.
Tatsächlich hat das Full English Breakfast einmal alle Schichten durchlaufen, bis es bei den körperlich Malochenden ankam. Ursprünglich servierte man die prächtige Frühstücksauswahl nur in den Adelshäusern der gentrys, überbordend gedeckte Tafeln gereichten zum Zeichen distinguierter Gastfreundschaft. Unter Queen Victoria mehrte sich der Wohlstand und mit ihm die Mitglieder der Upperclass, die die reichhaltige Mahlzeit nun ihrerseits kultivierten. In der Edwardischen Epoche (1901–1914), die mit dem Ersten Weltkrieg endete, wurde die Frühstückstradition noch einmal durchlässiger: Damals, erklärt Bule, sei das British Breakfast zum Frühstück der Mittelklasse geworden. "Aus dieser Zeit stammt die Tradition des Bed and Breakfast, wo das britische Frühstück noch immer dazugehört – ebenso wie im Zug oder auf Kreuzfahrtschiffen." Erst viel später kam das Frühstück auch in der working class an. Fortan bildeten die üppigen und nun eben auch günstigen Speisen die kalorische Grundlage harter Arbeitstage.
Eine dunkle Stimme dringt durch den dicht gepackten Raum, in dem man zwischen Kachelwänden und Resopaltischchen auf den Ausruf seiner Bestellung wartet: "Set Beans Chips! Beans Hashbrowns! Toast is read-ey!" Die Stimme gehört Claudia, einer zierlichen Dame mit kurzem blonden Haar, die verdammt laut und zugleich tief brüllen kann. Wenn man ihr bei der Essensübergabe einen Moment in die Augen schaut, flüstert sie plötzlich ganz sanft: "Enjoy your meal, dear."
Claudias Stimmvirtuosität gehört zum Gesamterlebnis Regency Cafe, einem Laden, in dem seit seiner Eröffnung im Jahr 1946 nichts verändert wurde. Diverse BBC-Serien nutzten das Interieur schon als Kulisse, das zwar retro ist, aber auch zeitlos wirkt. Nur die niedrigen Tische und die fest installierten Stühlchen zeugen davon, dass mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen ist. Die Briten scheinen währenddessen einige Zentimeter größer geworden zu sein.